Projektbeschreibung
Zu den großen Herausforderungen Europas im 21. Jahrhundert gehört die Ermöglichung einer friedlichen Koexistenz der Religionen. Der konstruktive Umgang mit religiöser und konfessioneller Pluralität ist eine Aufgabe, die sich nicht erst in der Gegenwart stellt. Vielmehr begleitet sie die Geschichte Europas seit den Anfängen. Richtungweisend für alle neuzeitlichen Entwicklungen wurde das Entstehen von »Religionsfrieden« seit dem 15./16. Jahrhundert, die besonders nach der Reformation das Zusammenleben der christlichen Konfessionen politisch-rechtlich ordneten. Sie stellen einen wesentlichen Baustein für die Konstituierung des modernen europäischen Staatswesens dar und erlauben Einblicke in den Umgang mit religiöser Koexistenz sowie in die Entwicklung des Toleranzgedankens. Ziel des Vorhabens »Europäische Religionsfrieden Digital« ist es, durch eine digitale Edition solcher politisch-rechtlichen Koexistenzregelungen und deren historische Kontextualisierung einen Schlüssel für das Verständnis der europäischen Vormoderne anzubieten, der es ermöglicht, auch gegenwärtige Entwicklungen problembewusst einzuschätzen.
Die in dem Projekt »Europäische Religionsfrieden Digital« stattfindende Zusammenarbeit von hermeneutisch-historisch arbeitenden Geistes- und Kulturwissenschaften und hermeneutisch-technisch ausgerichteten Digitalen Geisteswissenschaften stellt eine Partnerschaft »auf Augenhöhe« dar: Das Projektvorhaben schlägt mit der digitalen Edition die Brücke zwischen den Disziplinen und treibt damit die Grundlagenforschung sowohl in den historischen und theologischen Wissenschaften als auch in den Digitalen Geisteswissenschaften voran.
Die Edition eignet sich für eine interdisziplinäre Verwendung in universitärer Lehre und Forschung, da sie historische, rechtliche, theologiegeschichtliche, sprachgeschichtliche und digitale Fragestellungen zu bearbeiten erlaubt. Durch ihre Einleitungen in deutscher und englischer Sprache bietet sie allen interessierten Benutzerinnen und Benutzern Einblick in eine Religionsfriedenspraxis, die im »Kommunikationsraum Europa« schon sehr früh in einem bisher weithin unterschätzten Umfang einsetzte. Die Edition wird u. a. ermöglichen, die Entwicklung von Religionsfrieden, teils bisher unbekannte Beziehungen der Friedenstexte zueinander sowie ihre Rezeption in verschiedenen Kulturräumen zu erforschen. Hierzu werden die Texte erschlossen, kommentiert und zum Zweck der Auswertung durch digitale Methoden aufbereitet und über verschiedene Schnittstellen verfügbar gemacht.
Das Projekt wird seit April 2020 im Rahmen des Akademienprogramms der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften als Langzeitvorhaben gefördert. Es bringt die Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz, und die Universität- und Landesbibliothek Darmstadt als Kooperationspartner zusammen. Die Arbeitsstellen befinden sich in Mainz und Darmstadt.
Dem Vorhaben ging als Erprobungsstudie das Projekt »Religiöse Friedenswahrung und Friedensstiftung in Europa (1500–1800): Digitale Quellenedition frühneuzeitlicher Religionsfrieden« voraus, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) von 2013 bis 2019 gefördert wurde. Die hierbei gewonnenen Erfahrungswerte liegen dem Forschungsdesign des Projekts »Europäische Religionsfrieden Digital« zugrunde.