Hammelburg liegt an der Fränkischen Saale in der Nähe von Bad Kissingen und wurde bereits im 8. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Die namengebende Stadt hat allerdings nicht sonderlich viel mit der Übereinkunft zu tun, die am 5. Februar 1530 in ihren Mauern getroffen und beurkundet wurde. Hammelburg war nur einer von mehreren möglichen Tagungsorten der Unterhändler (auch Fulda und Schweinfurt waren ins Auge gefasst worden), entscheidend war wohl eine gute Erreichbarkeit und »neutrales Terrain«.
Denn es geht im Hammelburger Vertrag um die Beilegung von Misshelligkeiten zwischen der Stadt Erfurt einerseits und deren Stadtherrn, dem Erzbischof und Kurfürsten von Mainz, sowie der lokalen altgläubigen Geistlichkeit auf der anderen Seite. Denn Erfurt hatte, trotz seiner Größe und Bedeutung als Handels- und Universitätsstadt, lediglich den Status einer Landstadt im Mainzer Erzstift.
In den Jahren seit 1521 war es mehrfach zu gewaltsamen Übergriffen gegen die Geistlichkeit, Kirchenbesitz und gegen obrigkeitliche Einrichtungen in der Stadt gekommen; außerdem hatte der Rat die Unruhen als Gelegenheit genutzt, Sonderrechte der Geistlichkeit aufzuheben oder einzuschränken und sie stärker an den Lasten zu beteiligen, die die übrige Bevölkerung tragen musste. Dabei war die reformatorische Bewegung in der Stadt zwar stark, aber auch die Gruppe der Altgläubigen war noch groß, in etwa ebenso stark.
Im Ergebnis gab es einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für den Erzbischof und die lokale Geistlichkeit, und erhebliche Veränderungen bzw. Neuerungen im kirchlichen Bereich.
Der Erzbischof wollte dies nicht hinnehmen, sondern erwirkte ein kaiserliches Mandat gegen die Stadt. Der Schwäbische Bund, dem das Erzstift Mainz angehörte, bot sich als Exekutionsmacht an. Daraufhin zeigte sich die Stadt zu Verhandlungen bereit, bei denen wiederum der Schwäbische Bund nun die Vermittlerrolle übernahm.
Die Ausgleichsverhandlungen fanden schließlich im Februar 1530 statt, unter Mitwirkung dreier Vertreter des Schwäbischen Bundes, die als Vermittler und Schiedsleute auftraten. Der Kurfürst, der auch für die lokale Geistlichkeit mitverhandelte, und der Rat der Stadt Erfurt hatten jeweils fünf Vertreter nach Hammelburg geschickt.
Im Ergebnis wurde der Wiederaufbau der zerstörten obrigkeitlichen Einrichtungen festgelegt (Pranger, Henkershaus, Zollhaus, Läden für den Salzhandel), und dem Erzbischof wurde eine Entschädigung in Höhe von 2500 Gulden für entgangene Einnahmen zugesprochen, die von der Stadt in Raten aufgebracht werden sollte. Was an entfremdeten Kirchenschätzen noch vorhanden war, sollte alsbald zurückgegeben werden. Außerdem wurden Entschädigungsraten an die Erfurter Kirchen als Ersatz für eingeschmolzene Kleinodien festgelegt. Diese Gelder sollten ausdrücklich in der Stadt verbleiben und nur für die Erneuerung bzw. Ersetzung von Kirchenschmuck verwandt werden. Auf die Rückzahlung von 10.000 Gulden, die die Stadt im Zuge der früheren Unruhen aus kirchlichen Vermögen eingezogen hatte, sollte der städtische Klerus allerdings verzichten.
Das Ergebnis der etwa dreitägigen Verhandlungen wurde am 5. Februar 1530 vor Ort in Hammelburg beurkundet. Das entsprechende Schriftstück umfasst 6 Blätter. Ein Original mit den Siegeln der drei Schiedsleute wird im Stadtarchiv Erfurt aufbewahrt, und nach diesem Erfurter Original haben wir auch ediert.
Aus der Einleitung zu unserer Edition geht auch hervor, dass der Hammelburger Schiedsspruch am 4. März 1530 auf einem Bundestag in Augsburg durch den Schwäbischen Bund rezipiert und in einer weiteren Urkunde bestätigt wurde. (Hier das Original aus dem Stadtarchiv Erfurt mit den anhängenden Siegeln der drei Bundeshauptleute, des Kurfürsten von Mainz und der Stadt Erfurt).
Die Details der vertraglichen Vereinbarungen sind durchaus interessant, die eigentliche Bedeutung und Tragweite des Hammelburger Vertrags liegt allerdings m. E. in zwei Passagen, die vergleichsweise unauffällig daherkommen. In ihrer Kombination zeitigen sie jedoch ein höchst beachtliches Ergebnis:
Da ist zum einen die relativ formelhafte einleitende Übereinkunft, der zufolge der Erzbischof seinen Untertanen die Unbotmäßigkeiten der Vergangenheit vergeben und sie wieder zu Gnaden annehmen solle, während die Erfurter den Erzbischof als ihren rechtmäßigen Herrn anerkennen und sich ihm gegenüber als getreue Untertanen erzeigen sollen. Das ist natürlich wichtig und benennt das Ziel der ganzen Veranstaltung, aber eben doch sehr formelhaft.
Dazu tritt ergänzend die Bestimmung zum kirchlichen Leben (in Art. 6): Zwar sollen die Stifter mit den Hauptkirchen, also der Dom und St. Severi, sowie die Peterskirche, unmittelbar dem Erzbischof unterstellt und dem Einfluss des Rates entzogen sein, und dort soll auch die hergebrachte Liturgie unverändert gefeiert werden. Aber hinsichtlich der anderen Gotteshäuser soll damit bezüglich Glauben und Zeremonien nichts festgelegt werden. Dieses Nichts, das hier festgelegt wird, ist allerdings ein sehr gewichtiges.
Denn damit erkennt der Erzbischof die reformatorische Bewegung zwar nicht förmlich an, er verzichtet aber für die übrigen Erfurter Kirchen ausdrücklich auf eine eindeutige Festlegung und eröffnet dementsprechend dort dem Rat und der Gemeinde einen erheblichen Gestaltungsspielraum, der die Möglichkeit zu evangelischer Predigt und reformatorischem Gottesdienst einschließt. In der Folge kam es dann auch angesichts der konfessionell geteilten Bürgerschaft zu einer pragmatischen Aufteilung der Kirchen unter reformatorisch Gesinnte und Altgläubige.
Besonders bemerkenswert am Hammelburger Vertrag scheint mir nun die Kombination dieser beiden Aussagen: Denn der Vertragstext sieht die Möglichkeit vor bzw. setzt gleichsam selbstverständlich voraus, dass auch die Anhänger der reformatorischen Bewegung getreue Untertanen des Erzbischofs sein können. Und das, obwohl Martin Luther durch das Wormser Edikt von 1521 noch immer geächtet war.
Die Wahrheitsfrage wird damit ausgeklammert. Der Erzbischof verzichtet hier auf eine eindeutige Festlegung im Religiösen zugunsten des Erhalts seiner weltlichen obrigkeitlichen Funktion, und so wird ein friedliches Neben- und Miteinander »konfessions«verschiedener Gruppen in Erfurt ermöglicht. Auch der Zugang zu öffentlichen Ämtern steht grundsätzlich allen Bürgern offen, unabhängig von ihrer jeweiligen religiösen Haltung. Das scheint mir, zumal im Jahr 1530, ein durchaus beachtliches Resultat.
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